190123 Mit Spielen steigen Geflüchtete und Gymnasiasten ins Projekt ein.

„Welt - Flucht - Sichtwechsel“

Twistringen - Tamino, Johanna und Ali stehen an der Tafel und schreiben Begriffe wie Trauma, Hoffnung, Krieg, verloren und neue Freunde auf. Die Schülerinnen und Schüler des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums rufen immer neue Wörter in den Raum. Wörter, die ihnen zum Thema Flucht und Heimat einfallen. Das Trio von Intakt aus Syke gestaltet an diesem Morgen mit dem Projekt „Tandems für Engagement. Welt - Flucht - Sichtwechsel“ den Unterricht.

Die große Pause ist vorbei, 30 Mädchen und Jungen der Klasse 7b stürmen in ihre Klasse. Für zwei Unterrichtsstunden haben sie nun Gäste. Tamino und Johanna sind zwei deutsche junge Erwachsene, die Intakt in Syke angehören. Der 20-jährige Ali ist an ihrer Seite. Ein junger Mann, der alleine aus dem Irak nach Deutschland flüchtete. Nach einigen Spielen steht er den Zwölf- und Dreizehnjährigen für Fragen zur Verfügung. Dabei erfahren sie, dass er im Frühjahr 2014 einen Anruf von seiner Mutter erhielt. Er solle sich, wie seine Schwestern, nicht auf den Weg nach Hause machen, sondern fliehen. Die Familie sind Jesiden und werden von der IS gesucht.

Damit änderte sich für Ali alles. Mit 16 Jahren erreicht er kurz darauf Hamburg. „Ich fand es alles ganz schrecklich, wollte nur wieder nach Hause.“ Heimweh verzehrte ihn. Erst nachdem ein Onkel und Cousin von ihm in Celle gefunden wurden und er diese besuchen konnte, freundete er sich mit dem Gedanken an, in Deutschland zu bleiben. Kurz darauf zog er nach Syke. Dort kam nach einem Jahr Flucht auch eine seiner Schwestern an. „Die zweite lebt in Schweden“, erzählt er weiter. Die deutsche Sprache zu lernen, ist sein erstes Ziel. Schule, Abschluss und seit dem 1. August letzten Jahres nun eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.

„Inzwischen bin ich hier glücklich, auch wenn ich meine Eltern wohl nie wiedersehe.“ Aber er hat telefonischen Kontakt zu ihnen. Er spielt Fußball im Verein, hat tolle Kollegen und Freunde. „Vor allem durch Intakt“, gibt er zu. Dies ist ein Projekt des Welthaus Barnstorf. Manuela Wiese bietet hier neben Migrationsberatung und Flüchtlingssozialarbeit einen Treffpunkt für Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund. Einen Ort des Lernens und der Begegnung. Mit engagierten jungen Erwachsenen macht sie sich mehrmals im Jahr auf den Weg zu interessierten Schulen.

Diese wurden für das Projekt des Niedersächsischen Landesinstitutes für schulische Qualitätsentwicklung „Tandem für Engagement“ in Gruppenleiterschulungen dafür qualifiziert.

Für das Trio, das an diesem Morgen alle drei 7. Klassen des Gymnasiums besucht, eine wichtige und interessante Arbeit. „Eine wirklich tolle Sache für unser Schüler“, so Lehrerin Angelika Willner. Sie sorgt gemeinsam mit Kollegen, Schülern und Eltern in der Planungsgruppe „Leitbild“ für Angebote im Rahmen des Leitsatzes der Schule „Wir setzen uns aktiv für Meinungsfreiheit und gegen alle Arten von Diskriminierung und Extremismus ein“.