Hannah Platter nach Norwegen / ASF-Projekt zu Nazi-Zeit, Schuld und Sühne

Nach Evenskjer reist Hannah Platter. Sie freut sich auf ihren Friedensdienst. - Foto: Wilke

Twistringen - Von Theo Wilke. Die Temperaturen liegen zurzeit um den Gefrierpunkt im Nordwesten von Norwegen. Im Fjord zwischen Harstadt und Tromsø schneit es. Hannah Platter aus Twistringen freut sich nicht nur auf den Spätsommer und Herbst, auf Polarnächte oder Wale: Die 17-Jährige wird im August als Freiwillige zu einem zehnmonatigen Friedensdienst für die Organisation „Aktion Sühnezeichen“ (ASF) in Evenskjer aufbrechen.

 

ASF bietet Hannah Platter die Chance, theoretisches Wissen praktisch umzusetzen. Aktion Sühnezeichen, erklärt sie, spiele eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und sorge für Frieden zwischen verschiedenen Völkern und für den Kontakt mit sozialen Gruppen, etwa Obdachlosen, behinderten oder alten Menschen.

Die Twistringerin schreibt gerade ihre Abitur-Klausuren am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium – und sitzt schon „auf heißen Kohlen“. Sie würde am liebsten jetzt schon in den Flieger steigen. Erst im März erhielt die Zwölftklässlerin aus der Topheide die endgültige Zusage. Nun muss sie noch ihren Reisepass beantragen und andere Formalitäten erledigen.

In Evenskjer, einer Stadt 250 Kilometer vom Polarkreis entfernt, wird Hannah Platter bis Ende Mai 2017 in einer „Folkehogskole“ (Internat zumeist für junge Menschen mit Handicap) mitarbeiten. „Ich werde auf dem Gelände des Internats wohnen, das an einem Fjord liegt und ohne Zugverbindung ist“, weiß die 17-Jährige schon. Vier Stunden Autofahrt sind es bis Tromsø.

Neben der Bewerbung für den Friedensdienst und der Schule habe sie ihren Führerschein gemacht, den sie in Norwegen brauche. „Das war echt stressig“, gibt die Schülerin zu, die im Juli volljährig wird. Auch die neue Sprache werde eine Herausforderung sein. Ein paar Brocken Norwegisch hat sie erst übers Internet gelernt. Sorgen bereitet ihr das nicht. Denn Aktion Sühnezeichen zahlt ihr nicht nur Taschengeld, sondern auch alle Reisekosten und einen Sprachkurs. Ihre Eltern, Ines und Heino Platter, leisten ein Pflichtteil.

Dass Hannah nach dem Abi ins Ausland möchte, stand für sie schon lange fest. Nicht nur die Ferien in Skandinavien mit ihren Eltern sowie Schwester Greta (14) haben den Ausschlag gegeben. Hannah engagiert sich schon länger in Sozialprojekten. Ihre erste Abi-Klausur dreht sich um Flucht und Vertreibung, um den Umgang mit dem Nationalsozialismus, um Schuld und Sühne nach 1945. „Bei meinem Friedensdienst soll ich den Schülern darüber berichten“, erklärt die Gymnasiastin. Sie darf auch eigene Projekte anbieten. „Ich kann mich dort ausleben“, freut sich die Zwölftklässlerin, die Cello, Klavier und Klarinette gelernt und Erfahrungen in der Orchester- und Chorarbeit gesammelt hat.

Im Oktober 2015 hat sich die Twistringerin um den Freiwilligendienst beworben. „Das war sehr umfangreich“, schildert sie. Gefragt war nicht der tabellarische Lebenslauf. ASF wollte wissen, wer und was Hannah geprägt hat, ob sie seelisch und körperlich gefestigt ist, ob sie sich für Geschichte und Politik interessiert. Im Auswahlseminar musste sie auch drei Gewährsleute nennen: ihre Patentante und Schulsozialarbeiterin Maria Stenner-Diekmann, Werte- und Normen-Lehrer Sebastian Dörr sowie ihre beste Freundin Inga Morawski, die für ein Jahr nach Tschechien geht.

Am 8. August fliegt Hanna Platter nach Norwegen, Anfang November nach Berlin für ein Seminar in einem Brandenburger Dorf, anschließend wieder nach Oslo, um zunächst Land und Leute kennenzulernen.

Jeder Freiwillige bei ASF trägt zur Finanzierung seines Aufenthalts etwas bei und sucht mindestens 15 Patinnen und Paten, die ihn mit einer monatlichen Spende von 15 Euro oder einer einmaligen Spende von 150 Euro unterstützen.

Auch Hannah Platter hofft bis zur Abreise auf einige Paten, die sie finanziell unterstützen. Wer mehr wissen oder helfen möchte, kann ihr mailen unter

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