Konzeption des zweiwöchigen Betriebspraktikums

„Schule hat unsere Kinder auf die Welt von morgen vorzubereiten, ohne konkret sa-gen zu können, wie diese Welt aussehen wird.“ (Brosing 2007). Vertraut man aktuel-len Statistiken und Medienberichten, wachsen gegenwärtige Generationen Jugendli-cher zunehmend in Situationen beruflicher Ziel- und Orientierungslosigkeit auf.

Wir am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium sehen uns in der Verantwortung, Schüle-rinnen und Schüler in ihren überfachlichen Fähigkeiten zu fördern, um sie auf die ste-tige Pluralisierung des beruflichen Angebots vorbereiten zu können. Vor diesem Hin-tergrund stellte sich besonders die Frage hinsichtlich der Wichtigkeit frühzeitiger gymnasialer Berufsorientierung, sodass die Konzeption der Vor- und Nachbereitung des Betriebspraktikums an unserem Gymnasium überarbeitet und neu strukturiert worden ist. Denn viele Erfahrungen zeigen, dass Heranwachsende ihr Betriebsprak-tikum oft als „[...] eher exotischen Bereich wahr[nehmen], zu dem sie keinen wirkli-chen Zugang finden“ (Hedegen 2001). Der berufsorientierende Wert bleibt in der Re-gel gering (Dedering 2002). Weiterhin entsteht in Hinblick auf die allgemeine gymna-siale Berufsorientierung bei vielen Schülerinnen und Schülern der Eindruck, dass schulische Inhalte wenig mit tatsächlicher Lebensplanung und Berufsrealität zusam-menhängen (Popp 2007). Nach GMELCH (2001) üben verschiedene Studien, welche die Sichtweise von Heranwachsenden in den Blick nehmen, Kritik am fehlenden Zu-kunftsbezug von Berufsorientierung und betonen dabei insbesondere einen Mangel an Realitäts- und Entscheidungsfindungsbezügen.

Um hier einen Beitrag zu leisten, der eingangs aufgeführten Ziel- und Orientierungs-losigkeit entgegenwirken zu können, haben wir die Vor- und Nachbereitung des Be-triebspraktikums – unter dem Titel „Berufs-, Handlungs- und Zukunftsorientierung“ – in eine zweijährige Gesamtkonzeption eingebunden. Im Kontext dieser Konzeption, haben wir im Rahmen von sieben Arbeitsblöcken eine Verortung berufsorientierender Elemente in den Jahrgangsstufen 9 und 10 implementiert (s. Organisationsstruktur im Schaubild), welche die Fächer Politik-Wirtschaft, Deutsch und Englisch miteinan-der vernetzt und von allen schulischen Gremien mitgetragen wird. Schülerinnen und Schüler können sich im Durchlaufen dieser Konzeption bereits im Vorfeld wesentlich reflektierter und gezielter für einen Praktikumsplatz entscheiden. Dabei erhalten die Heranwachsenden die Möglichkeit, sich individueller Interessen, Schlüsselqualifikati-onen, Fähigkeiten, Stärken und Entwicklungspotenzialen bewusst zu werden. Denn nur auf Basis dieses Bewusstseins kann es letztlich möglich sein, bereits im Verlauf der Jahrgangsstufe 9 einen Praktikumsplatz auszuwählen, der den eigenen Neigun-gen und Fähigkeiten entspricht, den Prozess individueller Berufsorientierung nach-haltig fördert, Fehlvorstellungen vermeidet und folglich weniger in Enttäuschung oder Desillusionierung mündet. Das Betriebspraktikum selbst wird erst nach den Halbjah-reszeugnissen des 10. Jahrgangs zu absolvieren sein, sodass eine adäquate Zeit der Auseinandersetzung und Entscheidungsfindung bleibt.

Begleitet wird die Konzeption von einer vor- und nachbereitenden Portfolioarbeit in den Jahrgängen 9 und 10, der Vernetzung mit der für das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium zuständigen Berufsberaterin Frau Wolters sowie dem Berufsinformati-onszentrum (BIZ) in Bremen. Für die Portfoliokonzeption hat sich die Gemeinschaft der Unternehmen Twistringen (GUT) bereit erklärt, einen individuell gestalteten Port-folioordner zu finanzieren, der zunächst den ersten beiden Jahrgänge der Pilotphase (zunächst bis Ende 2017/2018) begleitend zur Verfügung gestellt wird.

Das Ausbilden von und das individuelle Wissen um eigene Lebenskonzeptionen und berufsrelevante Schlüsselqualifikationen ist in unseren Augen eine Voraussetzung, um eingangs genannten Zuständen beruflicher Ziel- und Orientierungslosigkeit ent-gegenzuwirken und Schülerinnen und Schülern – des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums – im Sinne des eröffnenden Zitates, auf eine Welt von morgen vorzube-reiten, deren berufliche und gesellschaftliche Anforderungen wir heute noch nicht voraussehen können.