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Mut zur Demokratie wollen der Landkreis und die Polizei Schülerinnen und Schülern aus Diepholz, Twistringen, Stuhr, Syke, Bassum, Schwaförden, Ehrenburg und Barnstorf machen. © Kilian Beck

Rund 95 Jugendliche aus acht Schulen wurden für ihr Engagement im Projekt „Mut zur Demokratie“ in Twistringen ausgezeichnet.

Demokratie muss im Alltag gelebt und verteidigt werden, da waren sich am Dienstagvormittag in der Aula des Twistringer Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums alle einig. Dort wurden rund 95 Schülerinnen und Schüler von acht Schulen für ihr Engagement als Demokratie-Paten im Projekt „Mut zur Demokratie“ von Landrat Volker Meyer (CDU) geehrt. Die Twistringer Schülerin Tiffany Harms ist eine von ihnen. Sie hat gemeinsam mit anderen eine Unterrichtsstunde zum Umgang mit diskriminierenden Aussagen im Alltag konzipiert und gehalten. „Das war eine Menge Arbeit“, sagt sie am Rande der Veranstaltung.

„Wir feiern das Engagement junger Menschen für ein Thema, das unser Zusammenleben im Kern ausmacht: die Demokratie“, sagte Landrat Volker Meyer. Konkret lernten die Schüler in Workshops, warum es lohnt, sich für demokratische Werte starkzumachen und wie man im Alltag Verantwortung dafür übernimmt, erklärt Debbie Stoll. Die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin betreut das Projekt. Das Projekt steht auf zwei Füßen: der Wissensvermittlung in den Workshops – dabei stehe die Partizipation im Fokus – und der Anwendung in einem Projekt. Bei der Feier sollen die engagierten Jugendlichen im Vordergrund stehen. Und nicht die antidemokratischen Strömungen.

Beispielhaft schildert Harms, wie sie und ihre Mitschüler ihre Unterrichtsstunde angegangen sind: Über eine anonyme Umfrageplattform schilderten ihre Mitschüler ihre Erfahrungen mit diskriminierenden Äußerungen im Alltag. Jürgen Schulze, Lehrer und Projektverantwortlicher, erklärt, dies seien etwa der rassistisch aufgeladene Begriff „Kanake“ oder das N-Wort gewesen.

Twistringer Schülering glaubt an Aufklärung gegen Diskriminierung

Diese Erfahrungen wurden dann in einem Rollenspiel verarbeitet, erzählt Harms. In diesem wurde dann der zwischenmenschliche Umgang mit solchen Äußerungen geübt. „Warum siehst du das so?“, sei etwa eine Frage, die sie stellen würde, wenn sich jemand diskriminierend äußere, sagt Harms. „Es geht dann darum, Brücken zu bauen“, wirft Schulze ein. Brücken bauen in dem Sinne, dass man das Gegenüber im Gespräch nicht direkt verurteilt, sondern zu überzeugen versucht. Bei echtem Interesse könne man dann versuchen, mit Fakten zu überzeugen, sagt Harms. Die Stunde hielten sie und ihre Mitstreiter in drei Klassen. „Wir haben eine Menge Pausen und Stunden hineingesteckt“, betont sie.

Harms‘ Engagement fruchtete. „Ich fand es richtig cool zu lernen, was man machen kann, wenn sich jemand antidemokratisch äußert“, sagt die Achtklässlerin Leonie Meyer, die an der Stunde teilgenommen hat. Sie glaubt, oft wüssten Menschen nicht, dass ihre Aussagen andere verletzen würden und müssten aufgeklärt werden.

Ähnliche Unterrichtsstunden für Mitschüler hielten die jeweiligen Demokratie-Paten an den Gymnasien Diepholz und Syke, der KGS Stuhr-Brinkum und der Freien Aktiven Schule Syke. Die Diepholzer Schüler rückten zum Weltkindertag ihre Kinderrechte in den Fokus. Am Syker Gymnasium wurden Infowände zu Demokratie in der Schule gestaltet. Schüler der OBS Bassum haben einen Demokratiesong geschrieben. An der OBS Barnstorf bieten Schülerinnen und Schüler eine Sprechstunde zur Mitbestimmung an der Schule an. An der Freien Aktiven Schule in Syke gab es zudem eine „Wahl-Rallye“ für die sechste Jahrgangsstufe.

Ideengeber für die Aktion war Polizist Konstantin Daubert. Er ist bei der Polizeiinspektion Diepholz zuständig für Extremismusprävention und selbst Demokratie-Pate. „Wir wollten das auch ins Schulwesen tragen“, sagt er. Das Projekt reiche über die reine Radikalisierungsprävention – um die er sich als Polizist kümmert – hinaus, erklärt er. Auch deshalb habe er sich an den Landkreis als Partner für politische Bildung gewandt.

Politische Bildung finde auch an der Volkshochschule, in Vereinen und in der Jugendarbeit statt, betont Landrat Meyer. Dabei sei der Landkreis nicht vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ abhängig, dessen Kürzung gerade in der Bundesregierung aus CDU und SPD erwogen wird.

Kommunikationswissenschaftlerin Stoll weiß aus erster Hand, wie es ist, in einer Diktatur aufzuwachsen: Geboren und aufgewachsen ist sie während der Apartheid in Südafrika. „Im Alter der Schülerinnen habe ich in einem undemokratischen und rassistischen Regime gelebt“, sagt sie. Auch in Deutschland stehe die Demokratie etwa durch Wahlerfolge der AfD unter Druck, meint sie. Deshalb sei es wichtig, früh Demokratiebildung zu betreiben. Der nächste Jahrgang Demokratie-Paten bereite sich bereits darauf vor, Verantwortung zu übernehmen, sagt sie.