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Kurz vor dem Dreh einer Szene an der Nordseeküste: Bei Marc Boutter und seiner Schauspielkollegin Anna-Marlene Wirtz werden noch ein letztes Mal Make-up und Kleidung kontrolliert. Dann heißt es wieder: „Und bitte.“ 

Eydelstedt - Von Luka Spahr. Vor einem Jahr war Marc Boutter noch ein normaler, junger Mann voller Wünsche und Träume. Zwei Jahre in den USA ließen in ihm den Entschluss reifen, im Filmgeschäft zu arbeiten. Also zog er bei seinen Eltern in Eydelstedt aus, um in Darmstadt Motion Pictures zu studieren. Eines Tages sandte er einen kleinen Gegenstand an seine Eltern. Darauf stand nur ein Name geschrieben: Jan Ahrens. Am Telefon sagte er ihnen: „Wir müssen reden. Jan Ahrens bin ich.“ Seine Mutter brach in Tränen aus, der Vater war sprachlos.

 

Denn: In diesem Moment fing Marc Boutter an, seinen Traum zu verwirklichen. Er wurde Schauspieler. Der Gegenstand, den er nach Hause schickte, war eine Requisite. Welche genau, verrät er nicht. Was es allerdings mit Jan Ahrens auf sich hat, können Christian Stadach und Stephan Zimmermann erklären. Sie sind seine Schöpfer. Ahrens ist eine fiktive Person. Um ihn dreht sich die Serie „Anomalie“. Marc Boutter ist Jan Ahrens. Das Gesicht des Eydelstedters wird in Kürze über die Leinwände internationaler Filmfeste flackern. 2019 ist die weltweite Veröffentlichung der Serie geplant.

An vielen Stellen sind sich Marc und Jan dabei sehr ähnlich. Der Schauspieler ist 21 Jahre alt, der Serien-Charakter 19. Der eine zog nach zwei Auslandsjahren zuerst nach Bremen, dann nach Darmstadt. Der andere lebt mit seiner Mutter in Bremerhaven und wurde von zwei Drehbuchautoren in Darmstadt entwickelt.

Nur an einer Stelle unterscheiden sie sich deutlich: Während Jan eher schüchtern und zurückhaltend ist, strahlt Marc nur so vor Lebensfreude.

Nach seinem Abitur 2015 am Twistringer Gymnasium flog er als Au-pair in die Staaten. Dort unterstützte er nicht nur Familien bei ihren täglichen Aufgaben, sondern entdeckte noch ganz nebenbei seinen Traumberuf.

Der junge Eydelstedter hat viel Spaß beim Dreh von „Anomalie“. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt er freudestrahlend.

Zuerst belegte Boutter bei der in Schauspielerkreisen bekannten Barrow Group in New York einen Schauspielkurs. Dann sammelte er schließlich in San Francisco erste Erfahrungen in kleinen Studentenfilmen und an Theatern. Da habe er bereits gemerkt: „Auf Schauspiel hätte ich wohl Bock.“ In Darmstadt fand er sich schließlich unter Gleichgesinnten. Hatte er 2014 schon als Komparse beim Dreh des Films „Freistatt“ mitgewirkt, stand er im November 2017 das erste Mal alleine vor der Kamera. In mehreren kleinen Filmprojekten fühlte er sich fortan vor der Kamera deutlich wohler als dahinter.

Er bewarb sich schließlich bei weiteren Castings. Bis er eine Annonce für einen Serienpiloten mit dem Namen „Anomalie“ erhielt. Er bewarb sich mit dem unsicheren Enthusiasmus, den viele mitbringen, die gerne vor der Kamera stehen möchten.

„Und dann haben sie sich aus irgendeinem Grund bei mir gemeldet“, erinnert sich der Eydelstedter. Das sei zwischen Weihnachten und Silvester 2017 gewesen. Ein kurzer Briefkontakt, ein schnelles Telefonat, dann folgte die Einladung in das „Tag und Nacht“-Studio der gleichnamigen Produktionsfirma in Darmstadt. Anfänge in New York und San Francisco Als er schließlich das erste Mal das Drehbuch gelesen habe, sei er „geflasht“ gewesen, erzählt er. Die Geschichte sei wirklich außerordentlich gut. Die Komplexität und Emotionalität der Serie habe ihn nachhaltig beeindruckt, schwärmt Boutter. Er sei fasziniert gewesen, „Jan kennenzulernen“. Beim Lesen des Skripts habe der Charakter ihn gleich gefesselt. Eine andere Rolle kam für ihn nicht in Frage.

Während er und das Team sich auf den Drehstart im Juli 2018 vorbereiten, kommt jedoch im Hintergrund ein wesentlicher Motor zum Erliegen: Eine Filmfördergesellschaft zieht ihre Finanzierung zurück. Der Schock ist groß. „Es ist vorbei“, schreibt Boutter damals an seine Eltern. Die Arbeiten an der Serie kommen weitestgehend zum Erliegen. Das Team ist zuerst ratlos, sucht dann in einem erneuten Anlauf nach Finanzierungsmöglichkeiten.

Urplötzlich heißt es jedoch: Wir haben wieder eine Finanzierungszusage. Die Freude der Crew kennt keine Grenzen. Boutter schickt daraufhin die Requisite mit dem Namen seines Charakters an seine Eltern nach Eydelstedt. Sie hatten die ganze Zeit mitgefiebert.

Eindrück vom Dreh gibt es auf dem Instgram-Account der Produktionsfirma Tag & Nacht Media.

Dann beginnen die Dreharbeiten wieder. Boutters Studium an der Hochschule läuft derweil nebenher weiter. Am Set erlebt er dann, was er sonst immer nur bei anderen gesehen hat. Auf einmal ist er derjenige, der jeden morgen in die Maske muss. Auf einmal ist er derjenige, auf den nach „Und bitte“ alle Augen gerichtet sind.

Derzeit laufen für ihn die letzten Drehtage der Serie. Im Oktober wird sie das erste Mal auf einem internationalen Filmfest präsentiert. „Ich bin unfassbar dankbar für diese Chance“, sagt Boutter.

An die große Glocke hängt er sein Leben vor der Kamera dennoch nicht. Wenn Freunde aus seiner Heimat von dem hören, was er nun seine „Arbeit“ nennt, reichen die Reaktionen von überraschten Gratulationen bis hin zu ungläubigem Nachfragen, berichtet der Eydelstedter. So bescheiden er dabei auch ist, wirkt Marc Boutter aber doch sehr stolz, während er von seinem vergangenen Jahr erzählt. Auch wenn die Serie kein Karrieresprungbrett für ihn werde, könne er später immer noch seinen Kindern stolz eine Produktion zeigen, bei der er mitgewirkt hat. Und ihnen demonstrieren, wie er seinen Traum hat Wirklichkeit werden lassen.

Mehr von Marc Boutter gibt es auf seinem Instagram-Account.