20190522

Naturschützer plädieren für Maßnahmen gegen das Insektensterben

LANDKREIS (bbr) › Naturschützer machen Druck: Angesichts der bedrückenden Warnung vor einem massenhaften Artensterben fordern Politik, Naturschützer und Wissenschaftler mehr Nachhaltigkeit bei Wirtschaft und Konsum. In einem jüngst in Paris vorgestellten UN-Bericht heißt es unter anderem, von den geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit seien bis zu eine Million vom Aussterben bedroht. Das Ausmaß des Artensterbens sei in der Geschichte der Menschheit noch nie so groß gewesen.

Die allermeisten Deutschen messen dem Naturschutz einer Umfrage zufolge überragende Bedeutung bei. 98 Prozent von gut 1500 für das Eurobarometer Befragten in Deutschland sagten, es sei die Verantwortung der Menschheit, die Natur zu schützen. Jeweils 97 Prozent sagten, Biodiversität (biologische Vielfalt) sei wesentlich für den Klimaschutz und trage zu Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen bei. Die Zahlen legte die EU-Kommission in Brüssel vor.

Die Artenvielfalt ist für die Natur von größter Wichtigkeit. Ganz im Sinne eines Uhrwerks funktioniert sie, weil viele Teilchen ineinandergreifen. Wenn mehrere fehlen, läuft das biologische System falsch oder kommt gänzlich zum Stillstand. Der heutige 22. Mai mahnt als Tag der biologischen Vielfalt, auch Tag der Arten vielfalt oder Internationaler Tag der biologischen Vielfalt genannt, zum Schutz und zur Erhaltung der Vielfalt von Flora und Fauna. Ein brisantes Thema – und das nicht erst seit gestern – ist das Insektensterben, dem Umweltschützer aber auch Kommunen und Landwirte schon lange versuchen, entgegenzuwirken. Ob Blühstreifen, das Anlegen von ganzen Wiesen oder Flächen für insektenfreundliche Pflanzen, die Landwirte zur Verfügung stellen – Möglichkeiten zum tatkräftigen Eingreifen gibt es einige.

Auch die Kommunen der „Wir im Norden“-Region im Nordkreis haben die Ärmel hochgekrempelt und greifen den Insekten tatkräftig unter die Arme. Es ist höchste Zeit, denn die Zahlen sind dramatisch. Laut Experten ist die Gesamtzahl der Fluginsekten in den vergangenen 25 Jahren um rund 80 Prozent gesunken. Eine intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden, ein zunehmendes „Zupflastern“ von Gärten und einheitliche Rasenflächen statt bunt blühende Blumenparadiese zählen zu den Hauptursachen. Mit der Initiative „Randstreifen entwicklung an landwirtschaftlichen Wegen“ machen Syke, Weyhe, Stuhr, Twistringen und Bassum gemeinsame Sache und sorgen für artenreiche Blühsäume, wo zuvor nur karge Randstreifen existierten. In Twistringen wurden laut Fachbereichsleiter Carsten Werft bislang in Rüssen, Borwede und Ridderade sowie am Beerenlehrpfad Blühflächen angelegt. Für die Fläche am Beerenlehrpfad habe das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium die Patenschaft übernommen. Weitere Blühflächen seien in Borwede, in der Ortschaft Scharrendorf sowie beim Reisegarten in der Parkanlage Obere Delme geplant. „Die Stadt Twistringen verfolgt vorrangig das Ziel, Blühstreifen an Wegeseitenrändern anzulegen. Die bisher angelegten Blühstreifen haben sich größtenteils hervorragend entwickelt. Aufgrund des sehr trockenen Sommers im vergangenen Jahr muss lediglich ein Blühstreifen in Rüssen nachgearbeitet werden“, erklärt Werft.

Doch nicht nur die Kommunen, auch jeder Bürger kann etwas für die Insekten und den Erhalt der Artenvielfalt tun. Die Beteiligten der „Wir im Norden“-Region haben in den vergangenen sechs Wochen 30.000 Samenpakete für jeweils zwei Quadratmeter verteilt. So können in jedem Garten oder auf dem Balkon kleine Futterflächen für Insekten entstehen. Über 26 Kräuter wie Kornblume, Bergsandglöckchen, Hornklee, Herbstmilchkraut sowie vier verschiedene Gräserarten bieten den Tieren reichlich Nahrung. In Twistringen sind die Samenpakete laut Carsten Werft annähernd vergriffen.

Wie die Syker Stadtbiologin Angelika Hanel auf Anfrage mitteilt, wurden gerade erst in den verschiedenen Ortschaften wie Heiligenfelde, Okel, Gessel, Ristedt und Syke verschiedene Blühmischungen auf städtischen Flächen neu ausgesät. Eine Blühmischung für Feldund Wegraine besteht zu 90 Prozent aus Kräutern und zu zehn Prozent aus Gräsern. „Das Saatgut wurde von Flächen aus dem nordwestdeutschen Tiefland geerntet und ist Regio zertifiziert“, erläutert Hanel.