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Luisa beim Einlauf ins Stadion mit den anderen Sportlern. Foto: BKMF / Steffie WundErl

World Dwarf Games: Luisa Beermann aus Twistringen holt zweimal Gold und einmal Silber

Twistringen – Mit mehr als 500 Sportlern aus 25 Ländern zusammenkommen, beim Einlauf ins Stadion die Deutschland-Fahne tragen – und dann auch noch mit zwei Gold- und einer Silbermedaille nach Hause kommen: Dieser Traum ist für Luisa Beermann aus Twistringen wahr geworden. In den Kategorien Tennisball-, Cricketball- und Speerwurf hat die Elfjährige an den World Dwarf Games in Köln teilgenommen. Die Weltkleinwuchsspiele wurden erstmals in Deutschland ausgetragen.

Luisa Beermann sitzt nun, knapp zwei Monate nach Ende des zehntägigen Events, in ihrer Küche in Twistringen. Bescheiden zeigt sie ihre Medaillen – und wenn sie vom Wettbewerb erzählt, glänzen ihre Augen: „Das war schon sehr aufregend“, beschreibt sie ihre Teilnahme. „Wir treffen uns sonst einmal im Jahr mit Kleinwüchsigen aus ganz Deutschland, jetzt waren plötzlich welche aus aller Welt da!“

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Stolz zeigt Luisa Beermann ihre drei Medaillen - Foto: Wolframm

Luisa Beermann hat Achondroplasie – die häufigste der 650 Formen von Kleinwüchsigkeit. Etwa 100 000 Menschen in Deutschland sind kleiner als die meisten – wer unter 1,50 Metern Körpergröße bleibt, der gilt als kleinwüchsig. Die Elfjährige, die die sechste Klasse des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums besucht, steht zu sich. Und doch, sagt sie: Die Blicke nerven oft. „Hier in Twistringen kennt man uns“, sagt Luisas Mutter Nadja Beermann, die gemeinsam mit ihrem Mann Maik eine Fahrschule betreibt – die übrigens ein spezielles Fahrschulauto für Kleinwüchsige hat. Doch wenn sie mit ihrer Tochter woanders unterwegs ist, dann seien die Blicke „manchmal echt hart, das ist erschreckend“. Im Alltag aber, wenn Luisa mit ihren Freundinnen unterwegs ist, wenn sie Sport macht – Badminton, Tanzen und Reiten – oder zuhause, in ihrem riesigen Bett, dann spielt es kaum eine Rolle, dass Luisa kleiner ist als andere. Auch an ihrer Schule, sagt sie, werde sie super aufgenommen. Auch da werde manchmal vergessen, dass sie nicht alles so kann, wie ihre Mitschüler. „Im Sportunterricht musste ich mal sagen, dass ich nicht über den Bock springen kann“, erinnert sie sich. Dann lässt sich ihre Lehrerin etwas für sie einfallen, gibt andere Aufgaben – „manchmal sind die schon zu leicht“, sagt Luisa grinsend.

Sportlich ist Luisa, keine Frage. Im vergangenen Herbst hat sie an den Nationalen Kleinwuchsspielen in Hannover teilgenommen, auch da schon Gold- und Silbermedaillen geholt. „Da haben wir gesehen: Es liegt ihr“, sagt Nadja Beermann. Und weil die alle vier Jahre ausgetragenen World Dwarf Games dieses Jahr in Deutschland stattfanden, war die Entscheidung, dass Luisa teilnimmt, schnell getroffen.

Organisiert wurden die Spiele in diesem Jahr vom Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF), in dessen Vorstand Nadja Beermann aktiv ist. Eine Menge Arbeit für die haupt- und ehrenamtlichen Organisatoren – die sich gelohnt hat. „Es war toll, das alles mitzuerleben“, sagt die Twistringerin. Bewegend der Moment, als die 101 deutschen Athleten im Nationaltrikot ins Stadion der Deutschen Sporthochschule Köln einzogen. Auf Augenhöhe konnten die Athleten Sport machen, sich messen – das was Luisa sonst im Sport mit Gleichaltrigen eben kaum kann.

Bei den World Dwarf Games wurden die Ergebnisse in den einzelnen Sportarten je nach Ausprägung der Kleinwüchsigkeit klassifiziert. Mit ihrer Silbermedaille im Tennisball-Wurf, dem Sieg beim Wurf des 256 Gramm schweren Cricketballs und der Goldmedaille im Speerwurf hat Luisa tolle Ergebnisse eingefahren. Im 80-Meter-Sprint hat sie den vierten Platz in ihrer Altersklasse gemacht. „Zwei Tage vorher hatte Luisa noch Fieber“, erklärt Nadja Beermann – wer weiß, ob sonst noch eine weitere Medaille in ihrem Zimmer hängen würde.

Wichtig für die Familie Beermann sind auch die jährlichen Treffen des BKMF – für die Eltern, weil während dieser Treffen, die immer über das Himmelfahrtswochenende stattfinden, der Austausch mit anderen Familien und auch viele Fachvorträge wichtig sind. „Beispielsweise von Ärzten“, erzählt Nadja Beermann. Spezielle Informationen kann sie dann, etwa wenn sie mit Luisa hier zum Kieferorthopäden geht, mitnehmen. Und für Luisa, weil der Austausch mit anderen Kleinwüchsigen eben nochmal ganz anders ist. „Klar, mit meinen normalwüchsigen Freunden kann ich auch darüber sprechen, dass ich schief angeguckt wurde – aber andere Kleinwüchsige können es anders nachvollziehen“, sagt sie.

Nadja und Maik Beermann haben schon im Krankenhaus, gleich nach Luisas Geburt, Hilfe vom BKMF bekommen, haben, als ihre Tochter ein halbes Jahr alt war, ein mehrtägiges Elternseminar besucht. „Wir haben viel mitbekommen, um einen guten Start zu haben, wurden toll begleitet“, sagt Nadja Beermann. Der Verband, das sei „die andere Familie“. Und genau deshalb engagiert sie sich im Vorstand, um diese Unterstützung und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Das sei unheimlich wichtig, gerade in den ersten Zeiten nach der Diagnose. Oft sind es ganz einfache Ratschläge, die das Leben erleichtern – zum Beispiel, dass Spiegel bodentief gehängt werden, damit sich auch Luisa ganz angucken kann.

Und so hat Luisa einen fast normalen Alltag, ist ein „kreativer Kopf“, sagt ihre Mutter. „Die unteren drei Schubladen sind nur mit meinen Mal- und Bastelsachen gefüllt“, sagt Luisa und deutet auf einen Schrank in der Küche. Sport ist ihr ebenso wichtig. Ob sie nochmal an den World Dwarf Games teilnehmen möchte? „Klar, schon gerne – aber in vier Jahren sind die in Australien“, sagt die Elfjährige. Vielleicht wird der Traum ja trotzdem wahr und Luisa kann sich noch einmal auf Augenhöhe mit kleinwüchsigen Athleten aus aller Welt messen.